1001 Nacht

Sehnsucht nach dem Orient

In jungen Jahren liest David Hockney die Gedichte des griechischen Dichters Konstantinos Kavafis und ist von dessen homoerotischer Poesie berührt.

Fotograf unbekannt, Konstantinos Kavafis in Alexandria, C.P. Cavafy Archives – Onassis Foundation, Quelle: Wikipedia Commons

Konstantinos Kavafis (1863–1933) wird in Alexandria in Ägypten geboren und verbringt dort die meiste Zeit seines Lebens. Der griechische Dichter beschreibt die geschäftige Atmosphäre der Grossstadt und vor allem die flüchtigen Blicke und Begegnungen von Homosexuellen, die ihre sexuelle Orientierung verbergen müssen. In Kavafis’ Gedichten werden die Figuren von Verlangen geleitet: in der Taverne, im Tabakladen, auf der Strasse oder im Bett. Das schlechte Gewissen, etwas Verbotenes zu tun, und die Angst, dabei entdeckt zu werden, sind ständige Begleiter.

Konstantinos Kavafis, Ihr Anfang, 1920–1930

Verboten war ihre Lust und jetzt erfüllt.
Sie steigen aus dem Bett und ziehn sich eilig, wortlos an.
Getrennt gehen sie und heimlich aus dem Haus davon.
Als sie die Strasse runtergehn, ganz unbehaglich, scheint es,
als ob sie fürchteten, dass man an ihnen sähe,
auf welchem Bett sie noch vor kurzem miteinander lagen.
Jedoch, wie haben sie des Künstlers Leben reich gemacht.
Morgen, am Tag danach oder nach Jahren sind sie geschrieben,
Verse voll Kraft, die hier ihren Anfang haben.

Konstantinos Kavafis’ Manuskript des Gedichts Ihr Anfang, © 2016-2018 Cavafy Archive, Onassis Foundation

Auf Kavafis’ Spuren in Alexandria

David Hockney, The Beginning aus der Serie Illustrations for Fourteen Poems from C.P. Cavafy, 1966–1967, Radierung und Aquatinta auf Papier, 34.5 × 22.3 cm, Tate: Erworben 1992, © David Hockney

David Hockney setzt sich in den 1960er-Jahren vertieft mit seiner Homosexualität auseinander. Er entdeckt Kavafis’ Poesie, die von homosexueller Liebe handelt, und reist nach Alexandria, das der Dichter so sinnlich und kosmopolitisch beschreibt. Doch Hockney kehrt ernüchtert von seiner Reise zurück. Die Stadt hat in Wirklichkeit nicht die gleiche Anziehungskraft wie in Hockneys Fantasie.

Später reist David Hockney nach Beirut und findet dort die Atmosphäre aus Kavafis’ Gedichten wieder.

David Hockney überträgt Motive mit Hilfe von Fotografien auf die Druckplatte.

Schön unaufgeregt!

Hockneys Radierungen Illustrations for Fourteen Poems from C.P. Cavafy basieren auf seiner Reise nach Beirut und der Lektüre von Kavafis’ Gedichten. Mit Hilfe von Polaroid-Fotografien überträgt der Künstler die Motive auf Druckplatten. Die Radierungen sind mit wenigen präzisen Strichen ausgeführt. Die sich liebenden Männer wirken ganz selbstverständlich. Sie posieren für den Künstler und schauen ihn direkt an.

Die Veröffentlichung von Hockneys Serie 1967 fällt mit der Entkriminalisierung der Homosexualität in Grossbritannien zusammen und ist Zeugnis von bedeutenden gesellschaftlichen Veränderungen.