Landschaft

A Bigger Landscape

2005 kehrt David Hockney nach Grossbritannien zurück. Wind und Wetter wecken sein Interesse für Jahreszeiten. Das Erwachen der Natur stellt er in monumentalen Bildern oder auf dem iPad dar.

David Hockney, Bigger Trees near Warter or / ou Peinture sur le Motif pour le Nouvel Age Post-Photographique, 2007, Öl auf Leinwand, 50-teilig, je 91.4 × 121.9 cm, total 457.2 × 1219.2 cm, Tate: Schenkung des Künstlers 2008, © David Hockney

Mit über 12 Metern Breite ist Bigger Trees near Warter or / ou Peinture sur le Motif pour le Nouvel Age Post-Photographique (Grössere Bäume in der Nähe von Warter/oder Pleinairmalerei für das neue postfotografische Zeitalter) Hockneys grösstes Gemälde überhaupt.

Ab 2005 rückt die Landschaft in der Umgebung von Bridlington ins Zentrum von Hockneys Kunst. Das Dorf befindet sich in Yorkshire, wo der Künstler aufgewachsen ist. Auch seine Mutter lebt in Bridlington und er besitzt ein Atelier im Ort.

Während in Kalifornien beinahe immerzu die Sonne scheint und die Temperaturen das ganze Jahr über mild sind, ist das Leben in Grossbritannien vom Wechsel der Jahreszeiten sowie von Wind und Wetter geprägt. David Hockney ist begeistert vom Wandel der Natur.

Für dieses Gemälde fährt Hockney während dreier Wochen mit einem Pickup und seinem Assistenten nach Warter, um an Ort und Stelle zu malen. Der Künstler kann im Freien jeweils nur an sechs Leinwänden gleichzeitig arbeiten und auch in seinem Atelier in Bridlington kann Hockney von den 50 Leinwänden, aus denen dieses Werk besteht, maximal zehn zusammen betrachten. Deshalb überprüft er am Computer, ob die Bilder zusammenpassen und hält seinen Malfortschritt fest.

Die Entstehung von Bigger Trees Near Warter

Die kurze Entstehungszeit des Gemäldes erklärt Hockney damit, dass er fertig sein wollte, bevor das Blätterwerk alles überdeckt. Sein Hauptinteresse gilt also dem Gewirr der Äste, das die Leinwände wie ein Netz überzieht und verbindet. Gleichzeitig sind es gerade die Äste, die leichte Verschie­bungen und Farbveränderungen zwischen den einzelnen Tafeln verdeutlichen.

Zu Beginn der Romantik begründet, wird die Freilichtmalerei im Impressionismus zur bevorzug­ten künstlerischen Technik: Die Malerei «sur le motif» oder «en plein air» soll die korrekte Wieder­gabe der Farbstimmung garantieren. Auch für David Hockney ist die genaue Beobachtung der Natur von grosser Bedeutung. Die Verbindung von malerischer Tradition und Computertech­nologie, die Hockney im Titel erwähnt, ist typisch für ihn. Als gleichzeitiger Erneuerer und tradi­tionsverbundener Künstler bringt er unterschiedliche Standpunkte problemlos zusammen.

Das Gemälde besteht aus 50 Leinwänden. In der Nahsicht werden Brüche zwischen den Tafeln deutlich.

«Der Frühling kann nicht abgesagt werden.»

David Hockney, 2021

Frühlingsgefühle

Der Frühling, der für Wiederkehr, Wachstum und Fruchtbarkeit steht, ist wohl Hockneys Lieblingsjahreszeit. Ihm sind viele Werke gewidmet.

David Hockney, The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011 (twenty eleven), Öl auf Leinwand, 32-teilig, je 91.5 × 122 cm, total 365.6 × 975.2 cm, Schenkung des Künstlers 2017 mit Unterstützung der Amis du Centre Pompidou, Collection Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne–Centre de création industrielle, © David Hockney

Hockney zeigt uns mit The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011 (twenty eleven) einen übermütigen, bereits fortgeschrittenen Frühling. Dafür ver­wendet er kräftige Farben und arbeitet mit den Komplementärfarben Violett und Orange. Die Farben sind flächig aufgetragen und werden durch Punkte und Striche strukturiert. Die Formen sind vereinfacht und teilweise mit markanten Umrissen versehen. Den Vorder- und Mittelgrund behandelt Hockney anders als den Hintergrund, der stark vereinfacht und farblich reduziert wiedergegeben ist. So entsteht, verstärkt durch die gelbe horizontale Linie, die die beiden Bereiche ab­grenzt, der Eindruck einer Bühne.

Die Vegetation scheint animiert und der symmetrische Aufbau mit dem Wegstück in der Bildmitte und den zwei violetten Bäumen links und rechts unterstreichen den fiktiv-konstruierten Charakter des Bildes. Die Darstellung von Bäumen, Blättern und Ranken erinnert an Comics und scheint von Hockneys iPad-Zeichnungen beeinflusst.

in der Normandie

David Hockneys iPad-Zeichnungen als Hoffnungsbotschaft in der Pandemie

Im Jahr 2019 kauft sich Hockney ein altes Haus in der Normandie. Dort lebt er zurückgezogen, er malt die Umgebung und die Natur. Während der Pandemie findet der Künstler ausgiebig Zeit, um die Natur mit dem iPad festzuhalten. Sein Motto während des Lockdowns ist: «You cannot cancel spring» – der Frühling kann nicht abgesagt werden! Angesichts der globalen Krise steht der Satz beispielhaft für Hockneys Optimismus.

«Jedes Mal, wenn ich rausgehe, sehe ich etwas, das ich zeichnen kann. Ich schaue einfach irgendwo hin und fange an. Ich habe gerade den Teich gemalt, schon wieder. In der Natur ist alles im Fluss, eigentlich ist alles im Fluss, ausser der Lockdown. Und das kann ich hier zeichnen und malen, besonders mit dem plätschernden Fluss. Ich weiss jetzt, wie ich das Wasser darstellen muss, ich sehe zu, wie es sprudelt. Ich bleibe ein weiteres Jahr hier, einen weiteren Frühling, Sommer und Herbst.»

David Hockney, 2021